Kapitel 4 – Wildblumenwiese
Statt ödem Zierrasen einfach eine bunte Blumenwiese aus heimischen Wildblumen anlegen – wie wäre das? In einer Wildblumenwiese, die max. 1-2 x jährlich gemäht wird, findet sich reiches Leben. Grashüpfer, Heupferde, Laufkäfer und Schmetterlingsraupen hüpfen und huschen ebenso durch die Wiese wie unsere Igel. Ach ja, die Igel. Wussten Sie, dass sich die Zahl der Igel in den letzten 10 Jahren halbiert hat? Zeit dem Igel neue Lebensräume zu eröffnen – in unserem eigenen Garten!
Bei der Auswahl der Wildblumen, welche Sie über eine Wildblumenmischung ansäen oder als lebende Stauden pflanzen können, sollten Sie bei der Artenauswahl auf zwei Dinge achten. Einmal sollten sich unter den anzusäenden Arten solche befinden, die als Raupenfutterpflanzen für unsere Schmetterlinge dienen. Außerdem sollten solche Wildblumen angesät werden, die durch ihren hohen Nektargehalt („Trachtwert“) und Pollenwert und ihre ökologische Verschränkung eine Vielzahl von Abnehmern, namentlich auch Hummeln und Wildbienen als Nektartankstelle dienen.
Unterkapitel Raupenfutterpflanzen
Ein Klassiker unter den Raupenfutterpflanzen ist die Brennnessel. Auf ihr leben die Raupen unserer bekanntesten heimischen Tagfalter, etwa die von Admiral, Tagpfauenauge oder Kleinem Fuchs. Aber ACHTUNG: die Brennnesseln sollten vollsonnig stehen, nur dann werden sie von Tagpfauenauge und Kleinem Fuchs als Eiablagepflanze angenommen. Wenn Sie sich also gewundert haben, wieso sich an ihren im schattigen Garteneck stehenden Brennnesseln keine Schmetterlingsraupen einfinden, ist die einfache Erklärung: den Brennnesseln gehört der Premiumplatz an der Südseite im Garten zugewiesen – dann klappt es auch mit den Tagfalterraupen!
Wer den Schwalbenschwanz in seinen Garten locken will, pflanzt am besten Fenchel, Dill, Wilde Möhre, Gartenmöhre, Echten Haarstrang (Arznei-Haarstrang), Berg-Haarstrang, Pastinak, Weinraute oder Diptam. Besonders der Fenchel wird vom Schwalbenschwanz zur Eiablage genutzt. Pastinak und Wilde Möhre sind darüber hinaus auch sehr beliebte Insektenpflanzen, hier tummeln sich Streifenwanzen ebenso wie der Gefleckte Schmalbock.
Für Bläulinge und Widderchen sollten Sie Leguminosen, also Schmetterlingsblütler ansäen. Allen voran sind Hornklee, Hufeisenklee und Bunte Kronwicke die Haupt-Raupenfutterpflanzen des Gemeinen Bläulings (Hauhechel-Bläuling) und des Blutströpfchens (Sechsfleck-Widderchen) und zahlreicher anderer Bläulingsarten und Widderchen.
Auch der Echte Steinklee (Gelber Steinklee) und der Weiße Steinklee sind nicht nur hervorragende Raupenfutterpflanzen für zahlreiche Bläulinge, etwa den Idas-Bläuling, sondern zusammen mit Faulbaum und Natternkopf das Beste an Trachtpflanzen, was die heimische Pflanzenwelt zu bieten hat.
Auch andere Leguminosen, wie Dorniger Hauhechel, Sand-Esparsette, Saat-Esparsette (Futter-Esparsette), Rotklee (Wiesenklee) und Schwedenklee sind tolle Bläulingspflanzen! Besonders der Dornige Hauhechel zieht Bläulinge für die Eiablage magisch an. Und der Schwedenklee ist ein – leider wenig bekannter – Geheimtipp! Der Schwedenklee bildet dichte Horste und ist langblühend und bei Hummeln äußerst beliebt – und gut für Balkonkästen geeignet.
Die Saat-Luzerne ist die wichtigste Raupenfutterpflanze für unsere Gelblinge, namentlich die Goldene Acht und den Postillon.
Wer den Faulbaumbläuling (Gartenbläuling) förden will, sät Blutweiderich und Dost (Wilder Majoran) an, beides neben dem Faulbaum und dem Efeu die wichtigsten Eiablagepflanzen des Gartenbläulings.
Upps, ein Kolibri an meinen Blüten? Nein, das Taubenschwänzchen fährt im Schwirrflug seinen langen Rüssel aus, um Nektar zu tanken. Wer das Taubenschwänzchen fördern will sät seine Raupenfutterpflanzen an: das Echte Labkraut, das Weiße Labkraut, das Wiesen-Labkraut und das Kletten-Labkraut. Auch ein niedlich-tollpatschiger Käfer profitiert vom Labkraut – der Tatzenkäfer! Da die mit einem blauen Analhorn (welches freilich völlig ungefährlich ist) bestückten Raupen des Taubenschwänzchens große Mengen an Labkraut benötigen, spricht nichts dagegen, auf ausgedehnten Flächen im Garten das leuchtende Gelb des Echten Labkrauts zu kultivieren.
Raupe des Taubenschwänzchens © Marie-PietzschFür die fast schlangenhaft anmutende, lange Raupe des Mittleren Weinschwärmers sät man einfach das Zottige Weidenröschen an; diese tummeln sich auch an Fuchsien.
Von Minze, Gemeinem Hohlzahn, Buntem Hohlzahn und Heilziest ernähren sich farbenprächtige Blattkäfer, etwa der Minzblattkäfer, ein prachtvoll metallisch blau schimmernder Blattkäfer, und der Prächtige Blattkäfer, ein leuchtend golden schimmernder Blattkäfer. Wie golden-regenbogenfarbene Perlen sitzen die Prächtigen Blattkäfer am Gemeinen Hohlzahn und am Bunten Hohlzahn – schön!
Gewöhnliche Kratzdistel, Eselsdistel, Nickende Distel, Wollköpfige Kratzdistel, Drüsenblättrige Kugeldistel, Bergdistel (Alpendistel), Golddistel und die Edeldisteln (Alpenmannstreu und Flachblatt-Mannstreu) sind nicht nur unschätzbar wertvolle Nektarspender für Hummeln und Falter, gerade auch, weil sie spät im Jahr zur Blüte kommen, sondern dienen auch der Raupe des prachtvollen Distelfalters oder der Flohkrauteule als Nahrung. Für feuchtere Standorte bietet sich die Pflanzung von Kohldistel und Sumpfkratzdistel an, zwei ökologisch ausgesprochen wertvolle Arten mit einer Fülle an Leben an Blättern und Blüten.
An den Blättern und hohen gelben Blütenständen der Königskerze leben die bunten Raupen des Königskerzen-Mönchs. Besonders Großblütige Königskerze, Kleinblütige Königskerze und Schwarze Königskerze bieten sich zur Pflanzung an.
An Echtem Leinkraut, Purpur-Leinkraut und Löwenmäulchen findet sich die auffällig bunte Raupe der Möndcheneule.
Von Veilchen und Acker-Stiefmütterchen ernähren sich die Raupen von Kaisermantel, Großem Perlmutterfalter, Mittlerem Perlmutterfalter und Kleinem Perlmutterfalter. Besonders Wohlriechendes Veilchen, Wald-Veilchen, Raues Veilchen und Hunds-Veilchen werden als Raupenfutterpflanze genutzt.
In feuchteren Wiesen sind die Feuerfalter anzutreffen. Der leuchtend rote Dukatenfalter, der Große Feuerfalter, der Lilagold-Feuerfalter, der Violette Feuerfalter und der Kleine Feuerfalter legen ihre Eier an Sauerampfer und an Schlangenknöterich ab. Namentlich Wiesen-Sauerampfer und Kleiner Sauerampfer sowie Fluss-Ampfer (Teich-Ampfer) sind in Feuchtwiesen die Raupenfutterpflanze der Wahl.
Auch der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling und der Helle Wiesenknopf-Ameisenbläuling sind Bewohner der Feuchtwiese, wo sie ihre Eier am Großen Wiesenknopf ablegen.
Der Aurorafalter legt seine Eier an Wiesenschaumkraut, Einjährigem Silberblatt (Mondviole) und Knoblauchsrauke ab.
Das Heidekraut (Besenheide, Erika) ist ein Geheimtipp – hier legen so schöne Schmetterlinge wie der Grüne Zipfelfalter und das Kleine Nachtpfauenauge ihre Eier ab. Bitte nur die heimische Naturform kaufen und pflanzen, nicht unserer Natur abträgliche Zuchtformen, wie die Knospenheide, bei der die Blüten sich nicht öffnen – lebende Untote, für das menschliche Auge der eigentlichen Bestimmung ihrer Blüten beraubt.
Kleines Nachtpfauenauge an Schlehe © Marie-PietzschDie Raupen des mittlerweile auch nicht mehr in großer Zahl vorkommenden Großen und Kleinen Kohlweißlings ernähren sich von Markstammkohl, Barbarakraut (Winterkresse), Nachtviole, Färberwaid und Weißer Senf (Gelbsenf) und Ackersenf. Barbarakraut und Nachtviole sind ebenso wie der Ackersenf eine gute Bienenweide im Frühling. Auch an der Kapuzinerkresse, die ursprünglich aus der südamerikanischen Andenregion stammt, wo sie an Flussufern wächst, findet man die Raupen von Großem und Kleinem Kohlweißling.
Letztlich ist jede Raupe willkommen! Wir sollen uns von überkommenen Begrifflichkeiten wie „Unkraut“ oder „Schädling“ verabschieden, denn die große Mehrzahl der Lebewesen sind Blattfresser, Blattsauger oder Holzfresser – eine rein auf wirtschaftliche Belange des Menschen bezogene Sichtweise ist unangebracht und hat uns letztlich das sechste große Artensterben in der Erdgeschichte beschert.
Unterkapitel Nektarpflanzen
Besonders blaue und violett oder rötlich gefärbte Blüten ziehen Hummeln und Wildbienen an. Der Wiesensalbei ist ebenso wie der Steppensalbei (Hainsalbei) und das Herzgespann bei Insekten beliebt. Auch die hohen Blütenstände der Wilden Karde sind nicht lediglich ergiebige Nektarquelle im Sommer, sondern die abgeblühten Samenstände ernähren Distelfinken (Stieglitze) im Herbst und im Winter. Man sollte die abgeblühten Fruchtstände der Wilden Karde daher unbedingt über den Winter stehen lassen. Überhaupt sollte man die abgeblühten Stauden und Wildblumen nicht im Herbst abschneiden, sondern bis Ende März / Anfang April stehen lassen, damit die sich an abgeblühten Stengeln befindlichen Eier, Raupen und Larven von Insekten in Ruhe überwintern und im Frühling erstmal schlüpfen können – anstatt dem Mäher zum Opfer zu fallen. Den „Garten winterfest machen“ ist eine überkommene Unsitte aus dunklen Zeiten, in denen Bäume und Lebewesen wie auch die Natur insgesamt als Objekt der Ausbeutung angesehen wurden – und nicht als das was sie sind: unsere Mitgeschöpfe, deren Erhalt und Pflege uns als christliche und moralische Verpflichtung aufgetragen ist.
Auch die Skabiosen-Flockenblume und die Wiesen-Flockenblume sind ebenso wertvolle Nektarquelle wie Acker-Witwenblume (Wiesen-Witwenblume) und Taubenskabiose und wie Gelbe Skabiose und Mazedonische Skabiose.
Ein echter Geheimtipp sind auch die Wilde Artischocke (Cardy, Kardone) und die Gemüse-Artischocke. Die Hummeln tauchen richtiggehend in die handtellergroßen Blütenköpfe ein und nutzen selbige auch als Schlafplatz.
Regelrechte Topseller unter den Nektarpflanzen sind Natternkopf, Ochsenzunge, Echter Steinklee (Gelber Steinklee) und Weißer Steinklee – hier brummt das Who-is-Who der Insektenwelt. Auch spezialisierte Wildbienen-Arten wie die Natternkopf-Mauerbiene sind auf das Vorhandensein von Natternkopf im Garten angewiesen.
Auch die Malven sind nicht nur beliebte Nektarpflanzen, sondern auch wertvolle Raupenfutterpflanzen, etwa für die leuchtend grüne Raupe der Achateule. An Wilder Malve und Mauretanischer Malve (Gartenmalve) finden sich zahllose Besucher ein. Wussten Sie, dass die schönen, roten Feuerwanzen neben Linden auch an Malven gebunden sind?
Einen Platz im Garten haben auch die Glockenblumen verdient. Pfirsichblättrige Glockenblume, Rapunzel-Glockenblume, Knäuel-Glockenblume, Nesselblättrige Glockenblume, Acker-Glockenblume, Wiesen-Glockenblume und Rundblättrige Glockenblume sind bei vielen Wildbienen beliebt. Einige Arten, wie die Glockenblumen-Scherenbiene, sind sogar auf Glockenblumen spezialisiert.
Eine wichtige Pflanzengruppe im Garten sind auch die Korbblütler. Wiesen-Pippau und Wegwarte sind in jedem Fall eine echte Bereicherung und ergiebige Pollenquelle für unsere Wildbienen!
Die Doldenblütler Wilde Möhre, Pastinak, Fenchel, Wiesen-Kerbel und Engelwurz runden das Ensemble des artenvielfalts- und blütenreichen Wildblumengartens ab, wenn sich auf den breiten Blütendolden der Gefleckte Schmalbock, die Streifenwanze und die Gichtwespe tummeln.
Das Beste zum Schluss: wer beobachtet, wie die Große Wollbiene mit nagenden Geräuschen den haarigen Belag vom Wollziest schabt für den Nestbau und wie sie ihre Blüten in territorialer Manier selbst gegen viel größere Blütenbesucher, etwa die Blauschwarze Holzbiene, verteidigt, findet Freude am Garten und an seinen Mitbewohnern.
Letztlich ist im Garten ein übersteigerter Ordnungssinn fehl am Platz. Der Garten gehört der Natur und den Tieren – in all seiner Wildheit. Zum verantwortungsvollen Miteinander gehört es auch, der Natur Raum zum Leben zu lassen. Eine bunte Blumenwiese erfreut die Menschen und schafft Lebens- und Rückzugsräume.
