Kapitel 2 – Wildsträucher
Das wohl wichtigste Naturgartenelement sind heimische Wildsträucher. Sie dienen in vielfacher Hinsicht als Lebensgrundlage für Kleinsäuger, Vögel und Insekten. Daher sollte man speziell solche Wildsträucher pflanzen, die eine möglichst große Zahl von „Abnehmern“ haben, also Schmetterlings- und Nachtfalterraupen, die an den Blättern nagen, Wildbienen, welche die Blüten besuchen, Kleinsäuger und Singvögel, welche die Früchte und Beeren fressen und letztlich Bockkäfer und andere Holznutzer, welche im Holz leben.
Hier gibt es erhebliche Unterschiede, was die ökologische Verschränkung (der treffende Begriff wird vom Naturgarteninfluencer Robin König, besser bekannt bei Instagram als @robinga_schnoegelroegel verwendet und bezeichnet die Zahl der auf eine Pflanze angewiesenen Lebewesen) angeht. Leider werden häufig echte Flops beworben, was die ökologische Verschränkung angeht, namentlich Kornelkirsche, Felsenbirne, Feldahorn und Hartriegel. Auch wenn die genannten Gehölze – leider – stark gehypt werden, sind sie von minderem Wert für die Artenvielfalt im Garten. Gerade was Schmetterlingsraupen und Blattfresser angeht, herrscht hier Ödnis und gähnende Leere vor. Hingegen findet sich an einem Faulbaum (als positives Gegenbeispiel) ein Hundertfaches an Vielfalt und Insektenleben ein. Im Folgenden sollen daher die besten Wildsträucher und ihre Funktion im Naturkreislauf vorgestellt und zur Pflanzung empfohlen werden:
Die Nummer Eins Empfehlung der ökologisch besonders wertvollen und besonders insektenfreundlichen Wildsträucher ist der Faulbaum (Rhamnus frangula bzw. Frangula alnus). An diesem wunderschön sattgrünen Strauch finden sich regelmäßig unzählige Insekten und auch Schmetterlingsraupen. Wussten Sie, dass der Faulbaum (neben Kreuzdorn) die einzige Futterpflanze der Raupe des Zitronenfalters ist? Wenn Sie also die Abwesenheit von Schmetterlingen beklagen, erreichen Sie am meisten, wenn sie die geeigneten Raupenfutterpflanzen in Ihren Garten holen – fangen Sie am besten mit 2-3 Faulbäumen in Ihrem Garten an!
Zitronenfalter bei Eiablage an FaulbaumAuch andere Schmetterlings- und Nachfalterarten legen ihre Eier bevorzugt am Faulbaum ab, etwa Faulbaumbläuling (Gartenbläuling), Grüner Zipfelfalter (Brombeerzipfelfalter), Kleines Nachtpfauenauge, Sphinxeule, Schneespanner, Gelbbraune Holzeule u.a. Was die Blüten des Faulbaums angeht sind diese zwar unscheinbar, aber äußerst nektarhaltig. Der hohe Nektargehalt („Trachtwert“) und die sehr lange Blütezeit von Ende April – September führen dazu, dass der Faulbaum zum echten Hummelmagneten wird und während der Blütezeit richtiggehend „brummt“.
Man sollte hier unbedingt darauf achten, nur die heimische Originalform des Faulbaums zu kaufen und keine Abarten oder Zuchtformen, wie Säulen-Faulbaum, Farnblättriger Faulbaum, Sorten „Fine-Line“ oder „Minaret“, weil diese für die Insektenwelt von minderem Wert sind.
Zudem sollte man den Faulbaum am besten halbschattig stellen oder auch schattig, weil diese Standorte vom Zitronenfalter eher zur Eiablage angenommen werden. Und keine Sorge vor wilden Gerüchten, dass der Faulbaum zu groß wird oder zu viel Platz braucht, die Erfahrung zeigt das Gegenteil. Der Faulbaum ist nur langsamwüchsig und kommt selbst mit ganz wenig Platz zurecht, etwa einem Pflanzkübel am Balkon oder auf der Terrasse. Daher passen selbst mehrere Faulbäume in den kleinsten Handtuchgarten.
Wo der Boden zu trocken ist, sollte man auf den trockenheitsverträglicheren Kreuzdorn ausweichen. Er dient ebenfalls (wenngleich seltener) dem Zitronenfalter zur Eiablage und beherbergt auch andere interessante Lebewesen, etwa die Braune Randwanze oder den seltenen Kreuzdornzipfelfalter.
Eine echte Bank unter den ökologisch wertvollen Gehölzen sind die Weiden. Neben Faulbaum und Kreuzdorn haben Weiden einen Platz im Garten verdient. Allen voran steht die Salweide für Artenvielfalt. Hier legen so prächtige Edelfalter wie der Große Schillerfalter und der Trauermantel ihre Eier ab. Auch die Reifweide und die Lorbeerweide sind von zahllosen Nachtfalterraupen frequentiert, etwa der Raupen von Abendpfauenauge und Pappelschwärmer.
Ein weiterer wichtiger Player im naturnahen Garten ist die Schlehe (Schwarzdorn). Sie dient dem majestätischen Segelfalter zur Eiablage. Auch zahlreiche Zipfelfalter-Arten, wie der Pflaumen-Zipfelfalter, der Nierenfleck-Zipfelfalter und der Kleine Schlehen-Zipfelfalter nutzen die Schlehe als Raupenfutterpflanze.
Eine Bereicherung für jeden Wildgarten ist auch die Rote Heckenkirsche. Sie ist eine sehr ergiebige Nektarquelle im Frühling, besonders für Hummeln. Auch seltene Schmetterlinge und Blattwespen legen ihre Eier an der Roten Heckenkirsche ab, etwa der Kleine Schillerfalter, der Hummelschwärmer und die Bronzeglänzende Keulhornblattwespe (Abia aenea).
Im Nahrungskreislauf spielen die von Gespinstmotten befallenen Gehölze eine große Rolle, namentlich das Pfaffenhütchen und die Gewöhnliche Traubenkirsche. Auch wenn die im Frühling mit dichten, silbrigen Gespinsten überzogenen Pfaffenhütchen-Sträucher oder Traubenkirschen-Bäume Erstaunen hervorrufen, ist doch der Kahlfraß für die Pflanzen völlig harmlos, sie treiben danach wieder neu aus. Eine Bekämpfung der Gespinstmottenraupen ist daher nicht nur nicht notwendig, sondern schadet dem Naturkreislauf enorm. Denn die große Zahl der cremfarbenen Gespinstmottenraupen sind eine ganz wichtige Proteinquelle für Singvögel, etwa Meisen, und zahllose räuberisch lebende Insekten, etwa Laufkäfer und Heupferde.
Aus demselben Grund bietet sich auch die Pflanzung des Gewöhnlichen Schneeballs an. Hier tummeln sich regelmäßig der Schneeballblattkäfer und seine Larven und fressen Lochmuster bis zum Kahlfraß in die Blätter. Für Grabwespen, Schlupfwespen, Laufkäfer und alle Arten räuberischer Wanzen sind die Blattkäfer und deren Larven eine wichtige Nahrungsgrundlage.
Für trockenere Standorte bietet sich als Alternative der Wollige Schneeball an.
Wer seinen Garten gelb leuchten lassen will, pflanzt den Besenginster. Damit tut er auch zahlreichen Schmetterlingsarten einen Gefallen, die auf den Ginster als Raupenfutterpflanze angewiesen sind, etwa dem Grünen Zipfelfalter oder dem Idas-Bläuling, einem sehr schönen und seltenen Bläuling, der jedoch in der Münchner Schotterebene noch vergleichsweise häufig ist.
Unbedingt zu erwähnen sind auch die heimischen Wildrosen, die den naturnahen Garten bereichern. Die Hundsrose (Heckenrose), aber auch die Weinrose, die Essigrose, die Zimtrose, die Hechtrose, die Bibernell-Rose und die Apfelrose bieten Schutz für Vögel und reichlich Pollen für Wildbienen und Rosenkäfer. Mehrere Blattwespen nutzen die Wildrosen für die Entwicklung ihrer Larven.
Dichte und nahezu immergrüne Hecken aus Liguster oder der heimischen Europäischen Stechpalme bieten Versteck und Nistmöglichkeit für unsere Singvögel.
Die Beeren von Schwarzem Holunder und Rotem Holunder (Traubenholunder) sind bei Vögeln überaus beliebt, ebenso wie die Früchte der Eberesche (Vogelbeere).
Die Nüsse des Haselstrauchs finden bei vielen Kleinsäugern ihre Abnehmer. Siebenschläfer, Gartenschläfer und Haselmaus zehren ebenso von Haselnüssen wie Eichhörnchen und Eichelhäher.
Selbige tun sich auch an den wichtigen Beerensträuchern gütlich. Stachelbeere, Schwarze Johannisbeere, Rote Johannisbeere und Jostabeere sind von überragendem ökologischen Wert für die gesamte Tier- und Insektenwelt. Der seltene Gartenschläfer („Zorro“) findet hier einen reich gedeckten Tisch. Und wussten Sie, dass der Große Fuchs, ein sehr schöner, aber leider selten gewordener Tagfalter, seine Eier bevorzugt an Stachelbeeren und Johannisbeeren ablegt?
Auch das Dickicht von Brombeeren und Weißdorn schützt Vögel und bietet Nahrungsgrundlage für die Raupen zahlloser Falterarten, etwa Kleines Nachpfauenauge, Ringelspinner, Hecken-Wollafter und Schlehen-Bürstenspinner. Diese wiederum sind die Nahrung des Großen Puppenräubers, eines großen, buntglänzenden Laufkäfers, der in Bayern 100 Jahre lang als ausgestorben galt und nun wieder vermehrt zu finden ist. Wenn man der Natur Raum gibt, kehrt sie zurück.
